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Channel: Forschung – Garbers Gazette
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Rauschhafte Vergemeinschaftung

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Ritualisierte Volksfeste wie Fußballspiele, Karneval oder Festivals liefern den Kitt für unsere Gesellschaft, hat die soziologische Forschung jetzt herausgefunden. Igitt! In zusammengerauften Rudeln fühle sich der sonst eher eigenbrötlerische Deutsche wohl: “Menschen, die im Alltag Abstand voneinander halten, suchen miteinander den Kontakt, Unbekannte umarmen und berühren sich. Sie überlassen sich bereitwillig dem Takt der Menge”, deckt die Analyse schonungslos auf. Hilfe tut Not: Mediziner warnt vor ansteckenden Krankheiten, Psychologen droht mit auftretender Massenauflaufphobie!

Das Fest als “Ausdruck der kollektiven Lebensfreude” hält die Rostocker Soziologin Dr. Yvonne Niekrenz (im Bild) für “sehr spannend“. Ob sie selbst schon Wein- oder Schützenkönigin war? Ihre Forschungsergebnisse am Beispiel des Kölner Karnevals gelten in der Branche gleichwohl als Überraschung: Denn in den vergangenen Jahrzehnten habe die Soziologie eigentlich Gegenwartsdiagnosen gestellt die besagen, dass die Deutschen hoch individualisiert sind und sich immer mehr aus traditionellen Bindungen wie der Familie herauslösen. Man wechsele beispielsweise häufiger “die Partner, den Job oder den Wohnort”. Auf der Suche nach “Gemeinschaftsprozessen” ist die Soziologin dagegen bei den Kölner Jecken auf etwas gestoßen, dass sie als brille-bierkrug“momenthafte, exzessorientierte Formen von Geselligkeit” beschreibt. Tätää, tätää, tätää! Die bittere Wahrheit heißt also: „Die Leute fühlen sich wohl, gut aufgehoben und gewärmt von vermeintlich Gleichgesinnten.“ Alltags- und damit wohl auch Anstandsregeln seien in dieser Zeit “außer Kraft gesetzt”.

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Für sogenannte “Einbettungsprozesse” seien Anlässe wie Fußballspiele, Karneval oder Festivals nunmal notwendig, um aus dem Alltag auszubrechen. Ausschweifende Feiern inklusive überschäumender Lebenslust sein allerdings räumlich, zeitlich und rituell fest gerahmt: Ob Karneval oder Rostocker Hanse-Sail – diese Festivals der guten Laune würden nur an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden. Im erstgenannten Fall ist spätestens am Aschermittwoch alles vorbei. Und dann wird Frau Doktor Niekreuz leider religiös („Das Wissen um die Endlichkeit des Festes befördert den Drang zum Exzess.“) und schlägt damit “den Bogen zur Begrenztheit des Lebens, der eigenen Sterblichkeit”. Komakuscheln aus Todesangst? Das Jenseits vor Augen ist Tarnung vor Schnitter Tod obligatorisch: Die Tendenz zum Verkleiden sei bei Großereignissen unter Fußballfans, Karnevalisten und selbst bei den kühlen Nordlichtern üblich – beim maritimen Rostocker Hanse-Sail zum Brüllen komische Scherzsonnenbrillen und Hawaiiketten. Meine Vermutung: Mann und Frau wollen nicht erkannt werden nach dem Fremdgehen. Alaaf und Helau! Weitere philosophische Gedanken hierzu finden Sie dort.

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