Auf den Kraftstoffverbrauch beschränken sich meist die Meinungsäußerungen rund um Mobilität und deren vermeintlich mögliche Umweltverträglichkeit. Denn “entscheidend ist, was hinten rauskommt”, passt das Helmut-Kohl-Zitat auch auf Auspuffausstoß. Drei-Liter-Auto, Elektromobil, Hybridantrieb – anhand solcher Schlagwörter drehen sich die Diskussionen zum Für und Wider eher am fertigen Produkt. Wieso aber in puncto Nachhaltigkeit nicht wie bei Lebensmitteln oder Textilien bei der Entstehung ansetzen? Die “Innovationsallianz Green Carbody Technologies” (InnoCaT) hat sich zum Ziel gesetzt, im Produktionsprozess eines Automobils 50 Prozent der Energie einzusparen. Respekt!
Eines der insgesamt 60 beteiligten Unternehmen und Forschungsinstitute aus Deutschland berichtet jetzt von ersten Erfolgen in einem Teilprojekt, das deutliche Energieeinsparungen im Karosseriebau hervorgebracht hat. Über die “Planung des effizienten Einsatzes der Druckluft” sei es gelungen, bis zu 35 Prozent weniger Energie zu verbrauchen, berichtet die Firma Festo über das gemeinsam mit Projektpartnern ermittelte Ergebnis. Als Teilprojektleiter und Automatisierungspezialist hat Festo, laut eigener Website auch “Weltmarktführer in der technischen Aus- und Weiterbildung”, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, mit der Volkswagen AG sowie mit Mittelständler Boge aus Bielefeld auch mit einem “der ältesten Hersteller von Kompressoren in Deutschland”. Sie hätten in dem dreijährigen Projekt alle “relevanten Stellhebel zusammengefasst, um den Druckluftverbrauch im Karosseriebau zu reduzieren und die Energieeffizienz zu steigern”. Und dafür gebührt ihnen ein prächtiger Applaus.
Auch wenn sich die bahnbrechende Story vielleicht nicht so sexy verkaufen lässt wie ein Schallmauerdurchbrecher durch Red Bull oder die neue Kollektion eines Karl Lagerfeld. Denn die beiden wahllos genannten Beispiele liefern einfach die spektakuläreren Bilder. Gleichwohl wäre zu prüfen, ob die Macher von “Green Carbody” nicht einfach nur schlecht kommunikationsberaten waren, um ihren Durchbruch adäquat zu bebildern. Ein Karossenteil aus Naturrasen zu formen etwa gelingt heute jedem Dahergelaufenen mit halbwegs guten Photoshop-Anwenderkenntnissen. Profis reden hier von Eyecatchern oder eben Deutsch von Hinguckern. Stattdessen liefert leider Festos Abteilung namens “Corporate Communication – Technology” eben nur dieses Motiv von einem abschreckenden Maschinenmonster (Foto: Festo AG & Co. KG). Es zeigt unglücklicherweise ein Ungetüm, das in der mitgelieferten, mindestens ebenso langweiligen Bildunterzeile so beschrieben wird: “Die servopneumatische Schweißzange wird zum Punktschweißen bei Karosserieblechen eingesetzt und hat sich in den letzen Jahren gegen die elektrische Lösung durchgesetzt.” Scharch!
Messungen im Produktionsbetrieb ermittelten dazu Werte für Verbräuche und typische Verbrauchsmuster (hier rechts im ebenfalls nicht sonderlich faszinierenden Festo-Bild). Ohne hier inhaltlich weiter auf die Details der Erkenntnisse zur Energieeinsparung im Karosseriebau eingehen zu wollen, denn das alles können Interessenten hier nachlesen, erscheinen mir diese Fakten erwähenswert: Druckluft im Karosseriebau hatte im Referenzwerk dieses Projektes einen Anteil von 3,7 Prozent am gesamten Ergieverbrauch. Das Einsparpotenzial entspricht bei 35 Prozent weniger Energieaufwendung immerhin einem Jahresverbrauch von 2.232 Megawattstunden oder einem CO2-Äquivalent von 1.257 Tonnen pro Jahr in einem Standardwerk. Wie Festo mitteilt, kann die Umsetzung bei bestehendenen Werken “bei vertretbarem Aufwand realisiert und bei der Neuplanung von Anlagen leicht erschlossen werden”. Das Einsparpotenzial zeige sich nicht nur im laufenden Betrieb – es könne nur dann voll ausgeschöpft werden, “wenn die komplette Druckluft-Wirkungskette von der Erzeugung über die Verteilung bis zur Anwendung über den gesamten Lebenszyklus betrachtet” werde. Pneumatische Antriebstechnik im Karosserie-Rohbau sei zudem richtig eingesetzt eine sehr wirtschaftliche Technologie und zeichne sich durch Schnelligkeit, Einfachheit, Sauberkeit und Überlastsicherheit aus.
Wie gut nur, dass auch die “Forschung für die Produktion von morgen” nie auslernt, wie der das geldgebende Bundesministerium das Rahmenkonzept im Fördertitel getauft hat. Möglicherweise wenden kluge Menschen so doch noch den Weltuntergang ab. Gute Ideen haben Ingenieure jedenfalls immer noch. Und wenn sie sich dann noch mit Designern zusammentun…