Immer, wenn es um Defizite in Firmen und Betrieben geht, erwähnen selbst namhafte Markt- und Marketingexperten in Gesprächen mir gegenüber oft und gerne eine fehlende Systematik: ob in Marktforschung, Kundenaquise, Auftragsmanagement, Forschung & Entwicklung, Preispolitik (wird besonders häufig genannt), Vertriebsstrategie/-kanäle oder Kommunikation. Es fehlt an langfristiger Planung, an konsequenter Umsetzung und am nachhaltigen Nachhalten der erreichten Ziele.
Deswegen scheue ich mich nicht, zum wiederholten Mal an dieser Stelle das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung aufs Schild zu heben. Nicht nur weil es mit Isi so ein putziges Kürzel sein Eigen nennt, sondern weil die Wissenschaftler dort praxisbezogen an Systematikhilfen für die Wirtschaft arbeiten. Diesmal haben die Forscher nach dem richtigen Maß an Wandlungsfähigkeit in Unternehmen gesucht. Wir wissen: Wirtschaft ist kein breiter, ruhiger Fluss (mehr), sondern (heute) ein munter brausender Gebirgsbachwasserfall. Und weil diese ersten beiden Absätze voller Text über unschöne Mängel schon so viel Stress bei Ihnen verursachen, schiebe ich hier erstmal zum Zuschauen und Genießen eine Entspannungsübung ein:
Solcherlei Dahinplätschern ist in Karlsruhe trotz badischer Lebensart wohl eher nicht angesagt. Im Isi wird geackert. Die Fraunhoferforscher sind findig, pfiffig und pfundig. Deshalb haben sie ihre Ergebnisse als Broschüre zusammengefasst und gleichzeitig ein vermarktbares “Online-Benchmarking-Tool” entwickelt, das für “495 Euro zzgl. MwSt” zur Verfügung steht. Das Projekt haben sie leider nur auf den unnötig kryptischen Namen “DyWaMed” getauft. DyWaMed? Vielleicht steht das ja für innovative-DYsonstaubsauger-gekreuzt-mit-WAschmaschinen-von-Miele-hochgetunt-zu-MEDizintechnik-zur-Erlangung-höherer-Flexibilität! Jedenfalls haben die Projektverantwortlichen dafür mehr als 200 Hightech-Unternehmen “empirisch erfasst” und befragt sowie die “Wandlungsfähigkeitspotenziale” (Isis sprechen dieses Wortungetüm bitte 50 Mal ganz schnell fehlerfrei), um daraus ein Modell zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Wandlungsfähigkeit in Betrieben “nachhaltig zu steigern” ist.
Zur Erklärung erklären die Fraunhoferforscher: “Um das richtige Verhältnis von kurzfristig einsetzbarer Flexibilität und langfristig benötigter Wandlungsfähigkeit zu finden, braucht es geeignete Methoden und eine ausreichende Datengrundlage zur Einschätzung der eigenen Position und Potenziale.” Beides liefere DyWaMed, was ein simulationsgestütztes Werkzeug “zur Dynamischen Steuerung der Wandlungsfähigkeit integrierter Wertschöpfungsketten in der Medizintechnik” (aha!) sei. ISI habe ein Modell entwickelt, das die Messung der Wandlungsfähigkeit anhand konkreter strategischer Zielgrößen wie Volumen, Variantenzahl oder der Durchlaufzeit der Produkte ermögliche. Apropos Durchlaufzeit (weiter geht’s nach einer kurzen Plitscherplätscherpause):
Dazu wurden 210 Betriebe der Medizin-, Mess-, Steuerungs-, Regelungstechnik und Optik zu ihren aktuellen Wandlungsfähigkeitspotenzialen ausführlich telefonisch befragt sowie die von ihnen in diesem Rahmen eingesetzten technischen und organisatorischen “Befähiger-Konzepte” erfasst. Projektleiter Oliver Kleine sagt: “Damit wird erstmalig eine empirische Datenbasis zur Messung der Wandlungsfähigkeitspotenziale produzierender Unternehmen zur Verfügung gestellt, deren Ergebnisse auch für andere Branchen interessante Einschätzungen erlauben.”
Die wichtigsten Ergebnisse seien in der Broschüre “Wandlungsfähigkeit messen und benchmarken” zusammengefasst, die vollständigen Ergebnisse seien im erwähnten Online-Benchmarking-Tool zugänglich. Interessierte Unternehmen könnten hier die Stärken und Schwächen ihrer betrieblichen Flexibilität und Wandlungsfähigkeit im Vergleich zu anderen Firmen individuell analysieren und damit Ansätze zur Steigerung ihrer Wandlungs- und Wettbewerbsfähigkeit aufdecken. Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, könne sich jedes Unternehmen aus der Gesamtheit der befragten Betriebe eine passende Vergleichsgruppe “zurechtschneiden”, die seinen Ausgangsbedingungen und Rahmenbedingungen möglichst ähnlich sei, und sich mit dieser spezifisch und zielorientiert messen.
Die Ergebnisse will Isi für jedes Unternehmen online darstellen und parallel als detaillierten pdf-Ergebnisbericht zur Verfügung stellen. Das hört sich grundsätzlich gut an, weshalb an dieser Stelle darauf hingewiesen wird. Was die Wandlungsfähigkeit angeht, dürften sich Unternehmen schön ruhig ein Beispiel an Gebirgsbächen nehmen, die auch ihren Weg permanent ändern, um Hindernisse zu überwinden – und sich dafür wahnsinnig winden. Denken Sie nur an den Colorado River, der über Jahrmillionen ins Gestein des Colorado-Plateaus das Nationalpark-Naturwunder des Grand Canyon gegraben hat. Chapeau nochmal dafür! Ich würde mich freuen, wenn Ihr Unternehmen mit dem Isi-Hilfsmittel an Flexibilität gewinnt und Sie mir dann eine Rückmeldung geben. Viel Erfolg! Und – los geht’s: